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Amazons Customer Obsession

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Geschrieben von Christian Doll | 14.01.2020

Amazons Customer Obsession ist legendär und hat entscheidend dazu beigetragen, dass der Konzern heute zu den wettbewerbsfähigsten und wertvollsten Firmen der Welt zählt. 

In dem Buch „The Bezos Letters” analysiert der Autor Steve Anderson die jährlichen Briefe von Jeff Bezos an Amazon-Shareowners. Für mich und meine Arbeit als Strategyzer Advisor und Coach war dieses Buch sehr inspirierend. Und das in vielerlei Hinsicht. 

Einige der spannendsten Inhalte daraus und meine Inspirationen dazu möchte in Blog-Posts teilen. Mein Thema diesmal: Customer Obsession

 

 

Amazons Customer Obsession ist legendär und hat entscheidend dazu beigetragen, dass der Konzern heute zu den wettbewerbsfähigsten und wertvollsten Firmen der Welt zählt.

  • Warum finde ich „Customer Obsession“ sehr inspirierend?
  • Was steckt hinter diesem Prinzip?
  • Und was könnten wir daraus für Innovationsprojekte ableiten?

Amazon entwickelt vom Kunden her

Amazon kümmert sich nicht so sehr darum, besser zu sein als die Konkurrenz. Amazon fokussiert sich darauf, Kunden „unwiderstehlichen“ Customer Value anzubieten. Daher entwickelt Amazon Kundenangebote immer vom Kunden her. Das bedeutet dann häufig, dass sie sich damit auch außerhalb ihrer Kernkompetenz (z.B. Internet-Kaufhaus und Logistik) bewegen und sich neue Fähigkeiten aneignen müssen oder in unvertraute Gebiete vorstoßen (z.B. Alexa, der sprachgesteuerte persönliche Assistent).

“I constantly remind our employees to be afraid, to wake up every morning terrified. Not of our competition, but of our customers. Our customers have made our business what it is, they are the ones with whom we have a relationship, and they are the ones to whom we owe a great obligation. And we consider them to be loyal to us – right up until the second that someone else offers them a better service.“ (1998 Bezos’ Letter to Shareowners)

“Working backwards from customer needs often demands that we acquire new competencies and exercise new muscles, never mind how uncomfortable and awkward-feeling those first steps might be.” (2008 Bezos’ Letter to Shareowners)

Amazon will seine Kunden zufriedenstellen. Und dafür verharren sie nicht auf dem, was sie immer schon (gut) gemacht haben. Sie gehen Schritte weiter, auch wenn diese Schritte am Anfang sehr mühsam und ungewohnt sind.

Nur mit loyalen Kunden kann man langfristig erfolgreich sein

„Customer Obsession“, also übersetzt Kundenbesessenheit, klingt im Deutschen bedrohlich und extrem. Aber genau so ist das von Amazon’ Chef Jeff Bezos auch gemeint. Das Vertrauen und die Loyalität von Kunden muss man sich hart verdienen. Kein Geschäft funktioniert ohne Kunden. Nur mit zufriedenen und loyalen Kunden kann man langfristig wachsen und erfolgreich sein. Dafür muss man besessen davon sein, sich in die Wünsche und Bedarfe der Kunden hineinzudenken. Auch in die, die Kunden noch gar nicht äußern können, weil sie diese selbst noch nicht kennen.

Verstehen, wann Kunden WOW sagen würden

Dazu muss man mit Kunden in Verbindung stehen, eine Beziehung zu Kunden haben, ihnen Fragen stellen und die Antworten dazu analysieren bzw. deren tatsächliches Verhalten auswerten. Man muss die kausale Beziehung zwischen dem was Kunden brauchen und der dafür gedachten Value Proposition aus Kundensicht (!) verstehen. Und das ist notwendig um abschätzen zu können, ob und wann Kunden zu einem Angebot wirklich „WOW!“ sagen würden.

Zu viele Firmen leben heute „Product Obession“ anstelle von „Customer Obsession“

Sie entwickeln ihre Produkte und Services weiter – nachdem was technisch für die Firma möglich ist und was, aus Firmen-Perspektive, zu Verbesserungen führt. Dann investieren sie viel Geld diese (verbesserten) Angebote zu vermarkten. Funktioniert das nicht, sucht man die Fehler im Marketing/Vertrieb und in den Botschaften an die Kunden. Vielleicht verstehen die Kunden einfach nicht gut genug, wie toll die neuen Produkte und Services tatsächlich sind? Viel zu häufig ist das aber nicht das eigentliche Problem. Das wirkliche Problem liegt viel häufiger darin, dass man am Kundenbedarf vorbei entwickelt hat. Oft auch weil man ihn auch nicht (wirklich) kennt – jedenfalls nicht auf einer Detail-Ebene, auf der der Kundenbedarf eine Aussagekraft hat – in Bezug auf das, was wirklich eine Verbesserung aus Kundensicht darstellen würde.

Wie hat mich das inspiriert? 

Folgende Trigger-Fragen – vor allem für B2B-Innovationsprojekte – kamen mir dazu in den Sinn:

  1. Wer sind relevante Kundensegmente? (Definition “Kundensegment“: Gruppe an Personen mit dem gleichen Bedarf, auf einem Detail-Level, so dass man diese in Social Media finden kann; z.B. Max Mustermann, Portfolio Manager der Siemens AG, Energy Sparte, und Personen wie dieser), (Definition“Relevant”: wir generieren für diese Kundensegmente merklichen Customer Value)
  2. Was ist deren Kundenbedarf – innerhalb des Projekt-Denkkorridors? Was sind die Customer Jobs, die diese bearbeiten oder erledigen wollen? Was sind Pains & Gains im Zusammenhang mit diesen Customer Jobs?
  3. Was wäre der Customer Value pro Kundensegment, das für diese Kundengruppen relevant und wertvoll wäre? Welche Produkte und Services könnten wir Kunden anbieten, um Customer Value zu ermöglichen? Wie könnten wir noch mehr Pain Relievers und/oder Gain Creators erzeugen, vielleicht mit veränderten oder ergänzenden Angeboten? Was könnten wir anbieten, wozu Kunden „WOW!” sagen würden?
  4. Wie finden wir heraus, ob Kunden tatsächlich diese Angebotsidee wertschätzen würden? Wie könnten wir unser Kundenbedarfsverständnis so darstellen, dass wir dazu von Kunden lernen können? Wie könnten wir unsere Angebotsidee so darstellen, dass wir den möglichen Customer Value daraus Kunden auf den ersten Blick verständlich machen können? Welche Experimente können wir zu “Desirability”aufsetzen, um Daten mit einer klaren Aussagekraft zu erzeugen?

In Innovationsprojekten arbeite ich gerne mit solchen Fragestellungen – auf diesem Detail-Level.

Wenn es gelingt, über Experimente die tatsächliche Kundenrealität einzufangen und damit Daten als Beweise zu generieren, die darauf hindeuten dass der Fit zwischen den Angebotsideen und dem Kundenbedarf auf einem WOW-Level existiert, dann sind das sehr gute Voraussetzungen für die weitere Design-Reise hin zu einem funktionierenden Neugeschäft. Damit haben Sie die erste große Hürde „Problem-Solution-Fit“ genommen und das Innovationsrisiko in ihrem Projekt merklich reduziert.

Interessiert, an Fragen wie diesen zu arbeiten? Ich freue mich über Ihre Nachricht.

P.S.: Englische Fachausdrücke

Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, englische Fachausdrucke NICHT ins Deutsche zu übersetzen. Über die Jahre habe ich festgestellt, dass dies (komischerweise) zu mehr Klarheit in der Sprache führt.

Warum? Weil damit sofort deutlich wird, welche Bedeutung pro Ausdruck ich meine. Wenn ich z.B. in Innoationsprojekten von Pains & Gains spreche, dann ist sofort klar, dass ich die entsprechenden Bereiche im Customer Profile des Werkzeugs “Value Proposition Canvas” meine. Die Verwendung der deutschen Übersetzung „Problemen & Gewinnen“ ist dafür oft zu verwirrend.

In meinen Blog-Posts möchte ich das gleiche Prinzip anwenden.